Verkehrsrecht: Urteile zur Nutzung von Dashcams, Teil 2

Urteilssammlung zu Dashcams

Der erste Teil der Serie hat sich mit älteren Urteilen zum Thema Dashcams beschäftigt.
Hier im zweiten Teil geht es um Urteile der Gerichte in Heilbronn und Nienburg aus 2015.
Weitere Urteile aus 2015 (Stuttgart und Nürnberg) finden sich im dritten Teil.

LG Heilbronn Urteil vom 17.02.2015 Az.: I 3 S 19/14

Urteile zur Nutzung von Dashcams im Auto
Nutzung von Dashcams im Straßenverkehr Foto: © WoGi – Fotolia.com

In diesem Verfahren, einem Zivilverfahren, streiten die Parteien über den Hergang eines Unfalles und die Mitverschuldensbeiträge. Der Klägerin wird ein schuldhafter Vorfahrtsverstoß vorgeworfen. Sie soll daher vollständig für den Unfall haften. Die Klägerin hatte in ihrem Fahrzeug eine Dashcam angebracht. Damit wollte sie im Prozess nachweisen, dass auch dem Gegner ein Pflichtverstoß zur Last fällt und diesen eine Mitschuld am Unfall trifft.
Das Landgericht Heilbronn hat die Aufnahmen nicht in seine Bewertung mit einfließen lassen. Es hat zwar in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass die Verwertung der durch die Verwendung einer Dashcam erlangten Bilder nicht generell ausgeschlossen ist. Dennoch sieht es die Aufzeichnung in diesem Fall als rechtswidrig erlangtes Beweismittel an. Folglich ist es als Beweismittel nicht zu berücksichtigen. Um die Rechtmäßigkeit der Erlangung zu prüfen nimmt es eine Interessen- und Güterabwägung vor. Einen klaren Ausschlussgrund sieht das Gericht schon dann gegeben, wenn das Beweismittel durch einen Verstoß gegen einfachgesetzliche Normen erlangt worden ist.
Das Gericht sieht einen Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Danach hat jeder das Recht über die Preisgabe seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen. Dem gegenüber stehen das Rechtsstaatsprinzip und insbesondere die Rechtspflege. Also das Interesse daran herauszufinden was wirklich geschehen ist. Das Landgericht sieht eine erhebliche Beeinträchtigung durch die dauernd mitlaufende Kamera. Diese zeichnet die Passanten und andere Verkehrsteilnehmer auf und speichert die Daten dauerhaft. Ein so gravierender Eingriff wäre nur dann zulässig, wenn eine Verletzung nicht anders verhindert werden kann.
Zudem bejaht das Gericht einen Verstoß gegen § 6b Abs. 1 Nr.3 BDSG. Also eine unzulässige Überwachung des öffentlichen Raumes. Dies wäre zwar grundsätzlich zur Beweissicherung legitim. Aber auch in diesem Fall ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Und auch hier sieht das Gericht ein Überwiegen der Interessen der (zufällig aber) heimlich aufgezeichneten und dauerhaft gespeicherten Personen.
-> Verwertbarkeit (-)

AG Nienburg Urteil vom 20.01.2015 Az.: 4 Ds 520 Js 39473/14 (155/14)

In diesem Verfahren, einem Strafverfahren, hat der Angeklagte den Zeugen, der kurz vorher seine Dashcam eingeschaltet hat, überholt und anschließend ausgebremst. Beim Rücküberholmanöver des Zeugen kommt es zu einer Gefahrensituation. All dies hat der Zeuge mit der Kamera aufgezeichnet. Begründet hat dieser die Nutzung der Dashcam damit, dass er aufgrund der Fahrweise des Angeklagten einen Unfall fürchtete und sich seiner Versicherung gegenüber mit den Bildern absichern wollte.
Das Amtsgericht Nienburg hat die Aufzeichnung, wenn auch für wenig hilfreich, so doch zumindest für verwertbar angesehen.
Es besteht kein Beweiserhebungsverbot und auch kein Beweisverwertungsverbot.
Da es sich bei der Dashcam nicht um eine ortsfest betriebene Kamera handelt ist nach Ansicht des Gerichtes nicht §6b BDSG anwendbar sondern §28 BDSG entsprechend.
Das Gericht prüft die Verwertbarkeit und nimmt dazu eine Interessenabwägung vor. Die Interessenabwägung findet zwischen dem Interesse an der Beweissicherung und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung statt. In diesem Fall sieht das Gericht ein Überwiegen des Interesses des Filmenden als gegeben an. Er hat ein besonders hohes Interesse an einem effektiven Rechtsschutz. Zudem sei der Eingriff in das Recht des Angeklagten besonders gering. (Hier war durch das nur kurzzeitige Einschalten der Kamera ja hauptsächlich der Angeklagte gefilmt worden)
Das Gericht lässt auch das Argument nicht gelten, dass eine Aufzeichnung später unzulässig im Internet veröffentlicht werden könnte. Dies begründet es damit, dass bei jedem Beweismittel die Gefahr eines späteren Missbrauches besteht. Ein solcher könne nicht pauschal als wahrscheinlicher unterstellt werden nur weil es sich um eine Videoaufzeichnung handelt.
Das Gericht sieht zudem ein überwiegen des Allgemeininteresses an einer effektiven Strafverfolgung. Allerdings weist auch das Amtsgericht Nienburg darauf hin, dass es Aufnahmen die allein aus dem Grund erstellt werden um so Strafverfahren einzuleiten für unzulässig hält.
-> Verwertbarkeit (+)

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